Frank Dumeier und Michael Trcka, Vorstände der WEB Windenergie AG
Die beiden Vorstandsmitglieder der WEB Windenergie AG, Frank Dumeier und Michael Trcka, im Gespräch über rasant steigende Strompreise, verstärktes Interesse an Erneuerbaren Energien, ambitionierte Wachstumspläne und eine überaus erfolgreiche Kapitalerhöhung.
2021 hat der globalen Wirtschaft nach dem ersten Pandemiejahr eine gewisse Erholung gebracht, die Energiemärkte haben aber einige Turbulenzen erlebt. Wie ist das Jahr in diesem Umfeld für die W.E.B insgesamt verlaufen?
Dumeier: In einem Wort ausgedrückt: janusköpfig – mit Licht und Schatten. Vom Windaufkommen her lag das Jahr spürbar unter dem langjährigen Mittelwert und auch unter dem bereits unterdurchschnittlichen Vorjahr. Damit ist auch unsere Stromproduktion zurückgegangen, trotz der Inbetriebnahme von rund 20 MW zusätzlicher Erzeugungskapazität.
Trcka: Umgekehrt sind die Strompreise im vierten Quartal auf Rekordhöhe angestiegen, und das hat uns entsprechende Mehrumsätze beschert. Per Saldo liegt das Ergebnis dadurch trotz der geringeren Produktions- und Verkaufsmengen wieder auf dem sehr soliden Vorjahresniveau. Und dann ist natürlich noch die Kapitalerhöhung zu nennen, die wir im Herbst durchgeführt haben – und die man nur als Riesenerfolg bezeichnen kann.
Gehen wir etwas mehr ins Detail: Was hat sich bei Windaufkommen und Produktion konkret getan, und was waren die Gründe dafür?
Dumeier: Hauptgrund für die geringere Produktion war eine anhaltende Flaute über Europa. Nur in drei von zwölf Monaten konnten wir unsere Planwerte erreichen bzw. übertreffen, im Rest des Jahres lag die Stromerzeugung darunter. Die meteorologischen Gründe dafür sind vielfältig. Die beiden wesentlichen Faktoren waren ein Polarwirbelsplit im Winter und im Frühjahr, und dass im Sommer Hochdrucksysteme über Europa die Ausläufer von atlantischen Tiefdrucksystemen blockiert haben. Insgesamt ist das Windaufkommen in Europa dadurch um 8,4 % unter dem langjährigen Mittelwert geblieben, damit war 2021 für uns das zweitschlechteste Windjahr seit der Jahrtausendwende. Speziell in Deutschland (–15,2 %) und in Frankreich (–13,2 %) waren wir davon stark betroffen. Die Produktion lag 2021 mit 1.237 GWh um 65 GWh bzw. knapp 5 % unter dem Wert des Vorjahres.
Und wie war die Lage in Nordamerika?
Dumeier: Wesentlich besser: Die nordamerikanischen Windparks haben 5 % über Plan produziert. Das zeigt, dass wir mit der Strategie, unsere Standorte international zu streuen, richtig liegen. Denn die Wettersysteme in Europa und Nordamerika sind unterschiedlich. Schwächere Windjahre in Europa können damit zunehmend durch eine stärkere Performance jenseits des Atlantiks ausgeglichen werden – und vice versa. Heute stammen bereits gut 60 % unserer Produktion aus unseren internationalen Märkten, der Anteil von Kanada und den USA liegt schon jenseits der 20 %. Unsere Anlagen sind übrigens weiterhin stabil gelaufen wie Schweizer Uhrwerke, die technische Verfügbarkeit erreichte mit 98,5 % erneut einen Spitzenwert, und das trotz anhaltender Herausforderungen durch Corona. Hier hat unser Team einmal mehr höchste Flexibilität bewiesen.
Wie Sie schon erwähnt haben, hat die Strompreisentwicklung die schwächere Produktion weitgehend ausgeglichen. Können Sie das etwas ausführlicher erklären?
Trcka: Weltweit haben wir im vierten Quartal eine massive Preissteigerung bei Strom gesehen. Einer der Haupttreiber dafür war ein globaler Anstieg der Gaspreise, der in Europa durch den Ukraine-Krieg und die Unsicherheiten um die Gas-Pipeline Nord Stream 2 noch verschärft wurde. Gleichzeitig sind auch die Preise für CO2-Emissionszertifikate, die jahrelang sozusagen im Keller waren, nach einer Anpassung durch die Regulierungsbehörde deutlich nach oben gegangen. Per Saldo hat sich der Gaspreis im Jahresverlauf 2021 etwa verfünffacht. Das hat sich natürlich entsprechend auf die Strompreise ausgewirkt. Damit stieg unser Umsatz trotz geringerer Produktion von 106,2 MEUR auf 113,6 MEUR, das Ergebnis nach Steuern von 15,5 MEUR auf 17,1 MEUR.
Die hohen Energiepreise beginnen sich mittlerweile in den Kosten neuer Anlagen widerzuspiegeln. Die Anlagenhersteller beispielsweise geben die gestiegenen Stahlpreise bereits weiter. Wie kommt vor allem die Industrie aus dieser Preisfalle heraus?
Dumeier: Nur durch einen massiven Ausbau der Erneuerbaren. Das würde die Abhängigkeit von Gas reduzieren und damit nicht nur den Stromkonsumenten und den Volkswirtschaften insgesamt nützen, sondern auch die Dekarbonisierung stark voranbringen und damit der Klimakrise entgegenwirken. Auch geopolitisch wäre diese Option sehr attraktiv, denn sie würde die Autarkie vieler Länder stärken. Für die österreichische Volkswirtschaft bedeutet der Preissprung bei Strom immerhin Mehrkosten von 4 Mrd. EUR pro Jahr, das sollte man nicht unterschätzen. Das bedroht natürlich die Wettbewerbsfähigkeit Europas und damit unseren Wirtschaftsstandort an sich.
Das ist wohl auch der Grund dafür, dass in letzter Zeit gerade die Industrie einen Ausbau der Energieerzeugung aus Erneuerbaren gefordert hat ...
Trcka: Das ist das Spannende an dieser Entwicklung. Bisher gab es nur das Argument des Klimawandels, und nun tritt ein neues, sehr wirkmächtiges Motiv hinzu. Dass die Industrie auf unseren Kurs einschwenkt, sehen wir sehr positiv, der von ihr ausgehende Ausbaudruck bringt momentan sogar mehr Schwung in die Debatte als der Klimaschutz. Wir bemerken das hautnah, denn bei uns stehen derzeit auch große Unternehmen geradezu Schlange, um über Kooperationen bei Wind- und Photovoltaikanlagen zu sprechen.
Das bedeutet wohl weiteres – vielleicht noch stärkeres – Wachstum. Was tut sich in Sachen Kapazitätsausbau derzeit?
Dumeier: Wir arbeiten weiterhin sehr eifrig an der Erweiterung unseres Anlagenparks. Ende 2021 haben wir einen Windpark und drei Photovoltaikanlagen mit insgesamt knapp 20 MW in Betrieb genommen und stehen damit bei einer Gesamt-Erzeugungskapazität von 544 MW. Knapp 30 MW gingen im ersten Quartal 2022 in Betrieb. Etwa dieselbe Kapazität ist aktuell in Bau. Nächstes Jahr werden wir die Marke von 600 MW jedenfalls überschreiten. Unser jüngster Windpark – Grafenschlag II – ist übrigens seit fast 25 Jahren unser erster neuer Windpark im Waldviertel. Trotz Herausforderungen – insbesondere durch zusätzlich erforderlich gewordene Untersuchungen für den Naturschutz – hat dieser Windpark nach rund einem Jahr Bauzeit den Betrieb aufgenommen. Da der Raum im erweiterten Projektgebiet vom Schwarzstorch genutzt wird, haben wir Maßnahmen zur Habitatverbesserung getroffen.
Wo wurden 2021 Photovoltaikanlagen eröffnet?
Dumeier: Zwei der drei neuen Photovoltaikanlagen befinden sich in den USA und stärken mit insgesamt rund 7,5 MWp unsere Produktion in Nordamerika. Bei einer davon testen wir übrigens eine neue Technologie, sogenannte bifaziale Paneele. Sie können durch Nutzung von indirektem Licht aus reflektierten Sonnenstrahlen auch an ihrer Rückseite Strom erzeugen, das klingt durchaus vielversprechend. Zu Vergleichszwecken haben wir aber auch einige Paneel-Reihen in konventioneller Ausführung installiert, damit wir einschätzen können, ob die Mehrinvestitionen tatsächlich den gewünschten Effekt haben. Die dritte neue Photovoltaikanlage haben wir im niederösterreichischen Pulkau für ein Sägewerk realisiert, mit dem wir ein Power-Purchase-Agreement (PPA) mit 20-jähriger Laufzeit abgeschlossen haben. Dieses Projekt ist ein „Role Model“ für unsere KMU-Energiewendepartnerschaften, in deren Rahmen wir Unternehmen unter anderem dabei begleiten, Erneuerbare Energie für den Eigenverbrauch zu produzieren. Wir errichten und betreiben die Anlagen, während der Woche versorgen wir das Sägewerk mit Strom, und außerhalb der Betriebszeiten vermarkten wir den Überschuss-Strom in unserem Grünstrom-Bilanzkreis.
Und solche Power-Purchase-Agreements bieten Sie auch anderen KMU- oder Industriekunden an?
Trcka: Ja, das Modell bewährt sich sehr. Derzeit haben wir aufgrund der hohen Strompreise mehr Anfragen, als wir bewältigen können. Während es früher Überzeugungsarbeit für jedes einzelne Projekt gebraucht hat, können wir uns der Anfragen jetzt kaum erwehren. Das bedeutet natürlich enormes Potenzial – für die W.E.B ebenso wie für das Klima. Das Ziel der österreichischen Bundesregierung, bis 2040 klimaneutral zu sein, bleibt trotzdem eine riesige Herausforderung. Aber der Weg wird dahin gehen – nicht so sehr wegen des Klimaschutzgedankens, sondern dank der Strompreisentwicklung. Dekarbonisierung rechnet sich plötzlich.
Dumeier: Während früher die Fördertarife die Grundlage unseres Wachstums waren, sind es nun die Marktpreise. Das könnte bedeuten, dass die Förderungen in nicht allzu ferner Zukunft teilweise nicht mehr notwendig sind, entsprechende Rahmenbedingungen vorausgesetzt. Für den Steuerzahler ist das natürlich positiv. Das scheint – ebenso wie die Industrie – mittlerweile auch die Politik als große Chance zu erkennen.
Das bedeutet wohl auch für die Zukunft einen deutlichen Kapazitätsausbau …
Dumeier: Davon gehen wir aus. Wir haben eine Pipeline von Projekten mit insgesamt rund 2.000 MW in acht Ländern, die wir je nach regionalen Rahmenbedingungen prüfen und entwickeln. Das Tempo richtet sich dabei nach den konkreten regionalen Gegebenheiten. Die Weinviertler Windparks Matzen-Klein-Harras mit 12,6 MW und Spannberg mit 16,8 MW sind im ersten Quartal 2022 in Betrieb gegangen. Auch ein PV-Projekt in Italien – Venafro – ist in dieser Zeit zum Portfolio der W.E.B hinzugekommen. In den USA ist der Windpark Silver Maple mit 20 MW in Bau und soll noch heuer ans Netz gehen. Und es geht in ähnlichem Tempo weiter: Noch 2022 wird es Anlagenbestellungen für Wind- und PV-Parks mit einer Gesamtkapazität von mehr als 50 MW geben, davon zwei in Österreich, einen in Deutschland und zwei in Italien. All dies bestätigt unsere langfristige Wachstumsstrategie mit einem Produktionsmix aus 80 % Windkraft und 20 % Photovoltaik, die wir in den kommenden Jahren erfolgreich fortführen werden. Ein zusätzlicher positiver Impuls resultiert aus einer Optimierung in unseren bestehenden Windparks: Wir sind gerade dabei, die Lebensdauer unserer 2-MW-Anlagen auf bis zu 30 Jahre zu strecken. Ursprünglich hatte man mit einer Lebensdauer eines Windrads von rund 20 Jahren gerechnet. Das haben wir in den letzten Jahren durch den systematischen Austausch der Großkomponenten bereits auf 25 Jahre erhöht. Nun kommen bis zu fünf weitere Jahre hinzu. Hochgerechnet auf die rund 60 betroffenen Anlagen könnte das bis zu 240 GWh an jährlicher Mehrproduktion bringen.
Trcka: Parallel dazu wollen wir auch bei der Elektromobilität weiter wachsen und unsere Aktivitäten intensivieren. Dass in Österreich 2021 mehr als 33.000 E-Autos – das sind 14 % aller neuen Fahrzeuge – zugelassen wurden, bestätigt uns darin. Derzeit betreiben wir – direkt oder über unser Tochterunternehmen ella – mehr als 240 Ladepunkte, vor allem im Osten Österreichs, in den kommenden drei Jahren wollen wir das ella-Netz um rund 80 Schnelllader erweitern.
Der in diesen – und Ihren anderen – Anlagen produzierte Strom soll ja auch die Konsumenten erreichen. Wie entwickelt sich die Vermarktung Ihres Grünstroms?
Dumeier: Auch hier hat sich 2021 sehr viel getan. Wir konnten die Zahl der von uns versorgten Zählpunkte mit mehr als 11.000 zum Jahresende nahezu verdoppeln. Den größten Neuzugang hat mit etwa 3.500 Zählpunkten ein Vertrag mit der Diözese Linz samt ihren Pfarren gebracht. Auch die Aufstockung unseres Vertriebsteams für den Businessbereich hat wesentlich dazu beigetragen. Geholfen hat bei all dem sicher, dass uns Global2000 und WWF im Jahr 2021 einmal mehr das Attribut „Treiber der Energiezukunft“ zuerkannt haben.
Und wie sieht es mit den Preisen für Grünstrom aus? Die Entwicklung der allgemeinen Marktpreise wird auch an diesem Segment nicht spurlos vorübergehen.
Dumeier: Naturgemäß müssen auch wir der allgemeinen Preisentwicklung folgen, immerhin hat sich der durchschnittliche Arbeitspreis in Österreich von 5 ct/kWh auf über 25 ct/kWh verfünffacht. Für Neuverträge ist die Anpassung bereits erfolgt, für bestehende Kunden werden wir die Preise im Lauf des Jahres anheben. Wir haben damit keine wirkliche Freude, können uns aber dem allgemeinen Trend nicht entziehen. Man darf dabei nicht übersehen: Andere Anbieter mussten teils Verträge kündigen, wiederum andere mussten ihre Tätigkeit überhaupt einstellen. Dass wir Strom aus eigener Produktion verkaufen, verschafft uns hier eine sehr solide Position.
Stichwort „solide“ – das gilt traditionell auch für Ihre Unternehmensfinanzierung. Die Kapitalerhöhung hat dazu sicher auch beigetragen …
Trcka: Ja, mit dieser Transaktion sind wir mehr als zufrieden, das Interesse an unserem Angebot hat uns geradezu überwältigt. Das betrifft nicht nur unsere bestehenden Aktionäre – immerhin sind 88 % der Bezugsrechte genutzt worden – sondern auch neue Investoren, die sich für die W.E.B entschieden haben. Das öffentliche Angebot nach Ende der Bezugsfrist war in nur eineinhalb Tagen überzeichnet, sodass wir die Zeichnungsfrist umgehend vorzeitig beenden mussten. In Summe haben uns mehr als 3.600 bestehende und neue Aktionäre 25,2 MEUR anvertraut, die wir nun in unser weiteres Wachstum investieren. Für dieses Vertrauen, das wir auch als Würdigung unserer bisherigen Arbeit verstehen, sind wir sehr dankbar! Hohes Interesse an unserer Aktie spüren wir aber auch abseits dieser Transaktion: Nimmt man die Kapitalerhöhung und sonstige Käufe im Jahresverlauf zusammen, ist unser Aktionärskreis 2021 um mehr als 1.100 auf über 5.500 angewachsen. Diesen Trend spiegelt auch der Aktienpreis wider, der seit der Kapitalerhöhung deutlich gestiegen ist.
Auch die Investoren haben damit offenbar großes Vertrauen in Ihre Zukunft. Was dürfen wir 2022 und in den Jahren danach erwarten?
Dumeier: Weiterhin starkes Commitment und ein hohes Aktivitätsniveau. Das mittlerweile beschlossene Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz schafft den Rahmen für die Umsetzung der österreichischen Klimaziele, und das sollte auch für uns entsprechende Dynamik bringen. Dass die Industrie jetzt zusätzlich Druck ausübt, hilft natürlich. Für die W.E.B bedeutet das: Wir setzen unseren Wachstumskurs mit ungebrochener Intensität fort. Die Energiewende kommt, und das hoffentlich rasch, denn die sprichwörtliche Uhr tickt. Wir werden jedenfalls mit ganzem Einsatz unseren Beitrag dazu leisten.