Solarpaneele auf dem berühmtesten Dach der Welt
Wie das Weiße Haus in den USA zum symbolischen Schauplatz für das Ringen um die Energiewende wurde.
10.2022 - Zurück zur Übersicht
Die Geburtsstunde der erneuerbaren Energien war nicht etwa die Klimakrise, sondern die Ölkrise der Siebzigerjahre. Als Reaktion auf die Kriegsniederlage gegen Israel beschlossen die Opec-Länder unter Führung von Saudi-Arabien, die Ölförderung empfindlich zu drosseln. Mit deutlichen Auswirkungen für die ganze Welt, der Ölpreis schnellte in die Höhe – von 3 auf 12 Dollar pro Barrel. Plötzlich wurde man sich im Westen der Tatsache bewusst, dass die Abhängigkeit vom Öl in eine politische Erpressbarkeit gemündet war.
Als Reaktion darauf kündigte US-Präsident Carter kurz nach seiner Wahl im Jahr 1977 Maßnahmen an, um sich aus dieser Abhängigkeit zu befreien. Eine großangelegte Solarinitiative („Solar America“) hatte zum Ziel, dass die Energieversorgung der USA bis zum Jahr 2000 zu einem Fünftel durch Sonnenenergie abgedeckt werden sollte. Auf die Sonne kann schließlich niemand ein Embargo verhängen.
Für dieses ehrgeizige Ziel wollte er selbst ein persönliches Zeichen setzen. Im Mai 1979 ließ er auf dem Dach des Weißen Hauses, direkt über dem Oval Office, 32 Solar-Kollektoren installieren. Strom konnten die Kollektoren zwar noch nicht erzeugen, aber immerhin Wasser erhitzen, u.a. für die Cafeteria und die Wäscherei. Carter lud zu einer spektakulären Pressekonferenz auf das Dach des Weißen Hauses und sprach die denkwürdigen Worte:
"In einer Generation kann diese Sonnenheizung entweder eine Kuriosität sein, reif fürs Museum, ein Beispiel für einen unbegangenen Weg. Oder sie könnte ein kleiner Teil eines der größten und aufregendsten Abenteuer werden, das das amerikanische Volk je unternommen hat: Wir nutzen die Energie der Sonne, um unsere Leben zu bereichern, während wir uns von unserer Abhängigkeit von importiertem Öl befreien."
Doch der Siegeszug der Solarenergie wurde zunächst einmal gebremst, er entwickelte sich zu einem brisanten Politikum. Carters Nachfolger Ronald Reagan war mit Wahlkampfgeldern aus der Ölindustrie ins Amt gekommen. Er ließ die Ölproduktion ankurbeln und setzte forciert auf Atomkraft. Auch er setzte ein Zeichen und ließ 1986 die Kollektoren auf dem Dach seines Amtssitzes wieder abmontieren. Sie landeten in einer Privatschule im Nordosten der USA, wo sie bis 2005 die Mensa mit Warmwasser versorgten, ohne dass jemand etwas von ihrer Herkunft wusste.
Ein kurzes Zwischenspiel lieferte George W. Bush, der aus einem Familienclan mit engen Verbindungen zum saudischen Königreich stammte. Zwar hielt er Forschung und Entwicklung im Bereich erneuerbare Energie für entbehrlich, ließ aber nichtsdestotrotz im Weißen Haus eine Photovoltaik-Anlage zur Stromversorgung und eine Solarthermie-Anlage für die Warmwasserversorgung errichten. Eine Pressekonferenz hat er allerdings darüber nie abgehalten.
Als 2009 Barak Obama ins Amt gewählt wurde, waren die Folgen des Klimawandels längst überdeutlich sichtbar geworden. Unter seiner Regierung unterzeichneten die USA 2015 das Pariser Klimaabkommen zur Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad. Und so betrieb auch er energiepolitische Symbolpolitik und ließ die bislang größte Solaranalage auf dem Weißen Haus installieren, und nicht etwa auf Nebengebäuden, sondern direkt über dem Oval Office. Nur für Sicherheitskräfte und Scharfschützen ließ er Platz.
Das Weiße Haus, dessen Dach die Kraft der Sonne nutzt: Es wurde ein derart wirkungsmächtiges Symbol, dass kein Präsident umhinkam, seinen Beitrag zu leisten – in die eine oder die andere Richtung. Inzwischen hat die Energiewende einen derart mächtigen Rückenwind bekommen, dass nicht einmal Donald Trump die Solarpaneele seines Vorgängers zu beseitigen wagte. Und das, obwohl er bekanntlich den menschengemachten Klimawandel leugnet.